Max – alt, krank, behindert und unendlich geliebt

von Anja K.

Max, sein Leben begann ein zweites Mal, als man ihn in Mailand aus einem Abwasserkanal rettete und er über diverse Pflegestellen zu uns kam. Er war davor schon einmal vermittelt, doch sein Frauchen starb.

 

Lottes Leben begann ein zweites Mal, als man sie in Italien aus einer miserablen Zuchtstätte befreite, weil sie Räude hatte und entsorgt werden sollte. Sie war ca. 3 Jahre alt und kannte nur das Kellerloch, indem sie immer wieder gedeckt wurde und ihre Welpen bekommen hatte. Wir bekamen sie im September 99 mit ca. 3 Jahren.

Als wir Max im April 98 mit ca. 2 Jahren bekamen, da war er putzmunter und gesund. Im Laufe der Zeit änderte sich das.
Mit ca. 4 Jahren (im Jahr 2000/2001) fiel uns auf, dass er uns teilweise, wenn wir zu weit weg waren, nicht mehr sehen konnte. Wenn wir ihn riefen, dann lief er panisch in irgendeine Richtung, wo sich etwas bewegte. In dieser Zeit lernte ich, dass es unmöglich ist, einen wegrennenden Hund einzuholen und er lernte, dass es besser ist, wenn man nicht allzu weit vom Frauchen weg ist.
Immer öfter schloss er sich Lotte an, wenn es dann doch mal weiter weg sein sollte.

Die Krankheit hatte ihn da fest im Griff, den Namen erfuhren wir erst später, gPRA, die Netzhaut stirbt ab. Bei den Spaziergängen ging es noch ohne Leine, man musste eben nur aufpassen, dass man sich nicht weiter als ca. 5 m von ihm entfernte. Doch dieser Radius wurde immer kleiner, denn schleichend stellte sich eine extreme Schwerhörigkeit ein. (etwa 2004) Zuerst dachte ich das macht er extra, er war immer ein exzellenter Schauspieler, wenn er z. B. die Treppe hochgetragen werden wollte. Doch als ich Futter in die Näpfe füllte und Lotte schon sabbernd vor mir stand und Max auf der Couch blieb, da wusste ich, er wird taub.
Das machte es immer schwieriger, denn seine Augen wurden immer schlechter und als das Gehör nachließ, konnte man sich nicht mehr weit entfernen, doch zu diesem Zeitpunkt gab es Lotte noch, sie sah und hörte für ihn, er lief immer einen halben Meter hinter ihr her, oder hinter uns.
Wir suchten dann einen Augentierarzt auf, der gPRA feststellte und uns sagte, er würde erblinden, schleichend, aber inoperabel.
Dann hatte er eines Nachts einen Fieberschub (Ende 2006), er war tagsüber schon so seltsam, dass ich die Nacht mit ihm zusammen auf der Couch verbracht hatte. Als ich mich dann umdrehen wollte, bekam ich ihn nicht mehr wach. Ich rüttelte und schüttelte, ich hob ihn hoch, er hing schlaff und wurde nicht wach. Mein Mann kam sofort, und gemeinsam versuchten wir ihn wach zu bekommen. Er war dann bei Bewusstsein, aber er kippte um, sofort zu Notdienst. Er hatte hohes Fieber, war im Delirium, doch er hat es überstanden. Am nächsten Tag stand er nicht auf, als ich ihn hochheben wollte, hat er geschrien!!! Mein Mann kam von der Arbeit sofort nach Hause, gemeinsam trugen wir ihn mitsamt dem Korb ins Auto. Der Tierarzt diagnostizierte einen Bandscheibenvorfall.
Nun war er fast blind, fast taub und rückengeschädigt, er bekam nun täglich Schmerztabletten, Rimadyl. Seine Schwerhörigkeit nahm wie seine Sehbehinderung immer weiter zu, Anfang 2008 konnte er nur noch Schatten erkennen, wenn es sehr hell war, hören nur noch extrem laute Geräusche, die ihn meist maßlos erschreckten.
Dann starb Lotte plötzlich, Anfang 2008, innerhalb von 2 Tagen war sie nur noch ein Schatten ihrer selbst, Leberzirrhose, festgestellt, als sie nicht mehr fressen, gehen oder stehen konnte. Mein kleiner Sonnenschein starb, und mir brach das Herz, und mit ihr starb ein Teil von Max.
Die letzten 11 Monate,  Februar 2008 bis zu seinem Tod im Januar 2009:
Ohne Lotte hat Max abgebaut. Es wurde eine Herzschwäche festgestellt, er bekam Tabletten. Seine Nieren arbeiteten nicht mehr richtig.
Er konnte nur noch an der Leine laufen, wehrte sich gegen jeden Spaziergang. Dann hatte er mehrmals Lähmungserscheinungen in den Hinterläufen, verlor nachts Kot und jammerte dann, weil er aus dem Korb kroch und nicht wieder rein wollte.
Dann kam der Moment, wo er sich im Haus nicht mehr zu Recht fand, er stand vor einer Wand und dachte er sei eingesperrt. Er jammerte dann, bis ich ihm half.
Der Tierarzt diagnostizierte Alzheimer.
Unser Max, der unabhängige Prinz, der schritt, statt zu laufen, mit einem unerschöpflichen Selbstbewusstsein. Mein Max, der Grenzen bis zum Schnappen austestete, er war nur noch ein Schatten seiner selbst.
Zu sehen, wie er alles verlor, zuletzt fast den Geruchssinn, sein Futter nicht mehr fand, das war so traurig.
Manchmal wurden wir gefragt, warum wir ihn nicht einschläfern lassen würden, aber es gab zu früheren Zeitpunkten keinen Grund.
Es ist ihm lange möglich gewesen, sich auch in fremder Umgebung, z. B. einer Ferienwohnung zu Recht zu finden. Er schritt langsam durch alle Räume, ohne irgendwo anzustoßen. Er kam alleine mit dem “Licht-Schatten”- Sehen klar. Auch der Augentierarzt staunte, mit welcher Gelassenheit und Ruhe Max sich, in der ihm vollkommen fremden Praxis zurechtfand. Aber Max lernte mit dieser Krankheit zu leben, und wer ihn nicht kannte, konnte kaum glauben, dass er nichts sah, denn er sah einem oft genau ins Gesicht
Er passte sich den jeweiligen Situationen immer an. Zuerst eben, als er merkte, dass er immer schlechter sehen konnte, da suchte er mehr Lottes und unsere Nähe. Beim Hören das gleiche. Er wusste immer was er kann und was nicht. Als das mit dem Rücken begann, ist er keine Treppe mehr hoch-oder runtergegangen, nicht mal einen Versuch hat er gemacht. Ich hatte nie das Gefühl, dass er leidet und viele Leute die ihn draußen mit Lotte sahen, wunderten sich, dass man ihm diese Behinderungen nicht ansah.

Es bleiben noch so viel “Kleinigkeiten” :
-Er fraß in einem Urlaub gemähtes Gras, blähte auf wie ein Ballon, wir fuhren nachts von Holland nach Hause zum Notdienst. Er hat es überlebt.
-Er fraß in einem anderen Urlaub Holz aus einem See, wurde schwer krank, erst in einer Tierklinik vollkommen falsch behandelt, verbrachten wir eine Woche nun bei einem Tierarzt, der dann auch nicht weiter wusste, wir brachen den Urlaub ab, fuhren heim. Max hatte tagelang nichts gefressen, Wasser habe ich ihm eingeflößt. Er wog statt 15 noch 12kg. Er kam zuhause 3 Tage an den Tropf, er hat es überlebt.
-er schluckte in seiner Gier ein Stück Brot runter, es verstopfte ihm die Luftröhre. Wir haben es bemerkt, versuchten es zu entfernen als er röchelnd vor uns lag. Er erschlaffte in meinen Armen, die Augen drehten sich weg, ich habe geschrien, mein Mann ihm fast den Kiefer gebrochen um da dran zu kommen, er hat es überlebt.
-er hatte eine schwere Kiefervereiterung, ihm wurden 4 Zähne gezogen.
-er hatte 2 schlimme Lefzenekzeme, die weggeschnitten wurden, in einer Gewebsprobe wurden schon entartete Zellen festgestellt, er hat es überlebt.
-er wurde alt, krank, behindert und immer älter, wir haben ihn erlöst.

Aber diese Zeit möchte ich nicht missen, sie hat Max und mich mehr zusammengeschweißt als die Zeit davor es konnte. Er brauchte mich, liebte mich mehr als vorher und suchte immer mehr meine Nähe.
Fast taub, fast blind, Geruchssinn nur noch minimal, Herz-Rücken-Nierenkrank, Probleme den Kot zu halten, wehren gegen jeden Spaziergang, ängstlich, ein hin- und herlaufen ohne Ruhe zu finden, Alzheimer. . . . . der Tag kam, wo wir ihn gehen ließen.
Doch diese letzten Jahre sind tief in mir verankert, ich habe ihn so sehr geliebt und diese Zeit des Alters und der Behinderungen und Krankheiten haben ihn mir näher gebracht als ich das jemals für möglich gehalten habe.